Dorf an der Grenze
Stellen Sie sich vor, wir sitzen heute Abend nach unserer Tour gemeinsam auf der Piazza Mercato. Die Lichter gehen an, die Berge liegen dunkel am Horizont. Genau hier, in dieser Grenzregion, spielt Aline Valangins Roman „Dorf an der Grenze“ zur Zeit gegen Ende des zweiten Weltkriegs als die Deutsche Wehrmacht von Italien aufwärts Richtung Norditalien zog und auch im Piemont Halt machte.
Das Buch führt uns in ein kleines Dorf, wie wir es heute in den Tälern rund um Domodossola finden könnten. Doch die Idylle trügt: Flüchtlinge versuchen über die Berge in Sicherheit zu kommen, jüdische Familien suchen einen rettenden Weg. Schmuggler kennen geheime Pfade, die ihnen schon seit Generationen ein Zubrot sichern. Und Partisanen kämpfen in den Wäldern und Alpenpässen gegen den Faschismus – oft mit nichts als Mut und dem Wissen um verborgene Übergänge.
Wenn wir morgen durchs Val Vigezzo radeln, denken Sie daran: dort, wo wir anhalten, um einen Espresso zu trinken, könnte einst ein Schmuggler mit schwerem Sack vorbeigeschlichen sein. Oder stellen Sie sich vor, wie Partisanen hoch oben in den Kastanienwäldern ihre Verstecke hatten. Plötzlich bekommt diese Landschaft eine zweite Dimension – sie wird zur Bühne von Geschichten, wie sie Valangin beschreibt.
Ihre Sprache ist klar und dicht, fast so, als wolle sie das Leben an der Grenze nicht verklären, sondern begreifbar machen: das Zögern, die Angst, aber auch die Hoffnung. Wer Domodossola heute erlebt, spürt von dieser Vergangenheit nur noch Andeutungen – aber Valangin gibt ihnen Gestalt.
Aline Valangin, ISBN 978-3-03926-050-8